An seiner Sitzung vom 17.11.2025 hat der Zürcher Kantonsrat Kenntnis vom Bauprogramm der Staatsstrassen für die Jahre 2026 – 2028 genommen. In der Debatte dazu wurde das Projekt Umfahrung Neeracherried zu Recht sowohl von den Grünen als auch von der SVP kritisiert (Schlamperei und durch verschiedene Fachstellen der Baudirektion verursachte Bauverzögerungen resultierend in Steuergeldverschwendung).
Das Trauerspiel vom Strassenbau um das Neeracherried
A. Projektverlauf
1987 – Annahme der Rothenthurm-Initiative zum Schutz der Moore
2007 – Kantonsrat nimmt eine neue Strassenführung zur Verlegung der Strassen aus dem Bereich des Moors in den Verkehrsrichtplan auf. Vorgesehen ist eine Umfahrungsstrasse südlich des Moorgebietes.
2009/2010 – Zweckmässigkeitsbeurteilung der im kantonalen Richtplan Verkehr eingetragenen Umfahrung des Neeracherrieds: Regierungsrat beschliesst, vorderhand auf die Verlegung der Strasse zu verzichten und die Wehntalerstrasse kurzfristig in der aktuellen Lage und Dimension zu sanieren.
2010 – Die Kommission für Planung und Bau (KPB) des Kantonsrates verlangt mit einer Motion, dass der Regierungsrat einen Kredit für die Verlegung der Strassen im Neeracherried entsprechend dem kantonalen Richtplan vorzulegen habe. Regierungsrat nimmt Anliegen in Form eines Postulats entgegen.
2011 – Die verschiedenen Varianten für die Verlegung der Strasse aus dem Neeracherried werden in einem Workshopverfahren zusammen mit den drei Gemeinden Neerach, Niederglatt, und Höri neu bewertet. Neben den betroffenen Gemeinden und den Fachämtern des Kantons wurden die Planungsregion Unterland sowie verschiedene Umweltverbände in die Planungsarbeiten einbezogen.
2015 – Beurteilung des Vorhabens durch die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK): In ihrem Gutachten kommt die ENHK zum Schluss, dass die im Richtplan vorgesehene Strassenverlegung gesamthaft eine Verbesserung für das Riet mit sich bringen würde. Die von den umliegenden Gemeinden bevorzugte Variante mit Tunnel wird von der ENHK negativ beurteilt.
2017 – Die drei Gemeinden Niederglatt, Höri und Neerach erarbeiteten gemeinsam mit den involvierten Naturschutzverbänden ein eigenes Konzept für eine Umfahrung. Das Konzept beinhaltet verschiedene Anliegen und Wünsche an die Ausgestaltung der vom Kanton vorgesehenen Richtplanvariante. Zusätzlich zur Strassenverlegung wird im Konzept eine Ostumfahrung von Niederglatt gefordert.
2017-2021: Auf ein einvernehmliches Workshopverfahren mit der für die Planung verantwortlichen Volkswirtschaftsdirektion (VD), diversen Fachstellen der Baudirektion, den drei Gemeinden sowie BirdLife resultiert ein Synthesebericht. Man ist sich in den wesentlichen Punkten einig.
Seit 2021 hat das Projekt statt Fortschritten nur Rückschritte erfahren. „Man“ diskutiert wieder über eine neue Linienführung, weil die Fachstelle Naturschutz der Baudirektion neue Themen wie Moorschutzverordnung und PPF „bearbeitet“ und exorbitante Forderungen an ökologischen Ausgleichsflächen stellt – dies obschon die ökologische Gesamtbilanz der Verlegung der Strassen auch ohne zusätzliche Ökoflächen ohnehin bereits gegeben ist!
2021 – Eine Vorstudie des Amtes für Mobilität wird von der VD an die Baudirektion für die weitere Projekt-Bearbeitung übergeben (Basis: RRB 597/2021).
2022 – Mit RRB 1689/2022 bewilligt der Regierungsrat einen Planungs- und Projektierungskredit von CHR 5.95 Mio.
2023 – Mit RRB 679/2023 vergibt der Regierungsrat aufgrund eines offenen Verfahrens den Auftrag für die Ingenieurleistungen für die SIA-Phase 31 für CHF 2.271 Mio (CHF 2.611 Mio inkl. Unvorhergesehenes)
2025 – Da das Projekt aufgebläht wurde und in keiner Weise mehr mit dem Synthesebericht übereinstimmt, braucht es wieder mehr Geld: Mit RRB 975/2025 wird der 2021 gesprochene Kredit für das Planungsbüro auf CHF 3.696 Mio (inkl. Unvorhergesehenes CHF 4.1 Mio) festgesetzt, also nahezu verdoppelt. Gleichzeitig nimmt der Regierungsrat das Projekt aus dem Budget/KEF.
B. Fazit: Endlose Planungsexzesse (siehe Begründung RRB 975/2025), initiiert durch verschiedene Fachstellen der Zürcher Baudirektion
Das Projekt Verlegung der Strassen aus dem Neeracherried ist für die angrenzenden Gemeinden Niederglatt-Höri-Neerach wichtig; die drei Gemeinden wollen auch als Grundeigentümer endlich Planungssicherheit haben. Eine Kompletterneuerung der Strasse durch ein Ried ist nur schon aufgrund der Bundesverfassung nicht möglich und so muss im Zürcher-Unterland nach einer «Ersatzachse» gesucht werden. Findet sich keine Lösung, wird der substanzielle Verkehr zwischen Dielsdorf und Bülach statt auf der bestehenden leistungsfähigen Achse unweigerlich mitten durch mehrere Dörfer fliessen.
Es geht um ein wegweisendes Projekt, welches bereits seit über zwei Jahrzehnten auf der Agenda steht. Der Handlungsdruck wurde auch vom Kantonsrat erkannt. Die zuständige Kommission hatte daher im Jahr 2010 mit klarer Mehrheit dieses Projekt gefordert, welches ökologisch sinnvoll ist und die Verkehrsinfrastruktur trotz Moorschutzartikel auch in Zukunft sicherstellt.
Das Projekt wurde von Gemeinden, Umweltverbänden und dem Kanton (VD) während Jahren gemeinsam erarbeitet. Und trotzdem – tritt „man“ weiter auf der Stelle! Warum? Weil sich die Abteilungen der Baudirektion gegenseitig blockieren. Unter der Verantwortung der VD lief das Projekt geordnet, zielorientiert und mit klarer Führung. Seit der Übergabe an die Baudirektion erlebt das Projekt das Gegenteil: Immer neue Forderungen, immer neue Gutachten, und offenbar immer höhere Kosten!
In den letzten 4 Jahren wird nur noch verzögert! Anstatt die gemeinsam erarbeitete Synthese gemäss Regierungsratsbeschluss umzusetzen, konfrontiert die Baudirektion u. a. betroffene Landwirte wieder mit völlig neuen Linienführungen, ohne dass die drei Gemeinden und BirdLife diese für gut befunden haben.
Die Fachstelle Naturschutz der BD stellt – wie es Kantonsrätin Wilma Willi, Stadel (Grüne) und Kantonsrat und Gemeindepräsident Stefan Schmid, Niederglatt (SVP) in der Kantonsratsdebatte vom 17.11.25 im in Ihren Votum fast deckungsgleich kritisiert haben – ökologische Forderungen, welche weit über das hinausgehen, was ökologisch notwendig ist. Die Fachstelle blockiert damit selber ein wegweisendes Projekt, welches auch dem Naturschutz dient.
Das Projekt scheint weiter in einem endlosen Planungsprozessen zu versanden. Die kantonalen Fachstellen der Baudirektion stehen sich gegenseitig im Weg und produzieren eine monumentale «Planungsleiche» produzieren, was ineffizient, teuer und gegenüber der betroffenen Bevölkerung und den Gemeinden schlicht nicht verantwortbar ist.
Der Kanton Zürich muss – wie schon mehrmals an dieser Stelle gefordert – das Amt eines kantonalen Controllers schaffen, welcher – mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet – Schlendrian in der Verwaltung ein für alle Mal „abstellen“ und dafür sorgen kann, dass ein Dauer-Projekt, wie es die Umfahrung Neeracherried darstellt, endlich zur Ausführungsreife kommt!