Im August 2024 hat das Zürcher Gemeindeamt (Teil des Departements der Justiz und des Innern, JI, von RR Jacqueline Fehr, SP) ein Merkblatt über die melderechtliche Erfassung von Personen in Alters- und Pflegeheimen veröffentlicht. Für Betroffene gilt seither, dass zwischen dem melderechtlichen und dem zivilrechtlichen Wohnsitz unterschieden wird. Das führt zu weitrechenden und mitunter belastenden Konsequenzen. Diese Regelung – gestützt auf einen älteren Bundesgerichtsentscheid – führt in der Praxis dazu, dass Ehepaare melderechtlich getrennt werden, sobald ein Partner in ein Pflegeheim ausserhalb der bisherigen Wohngemeinde eintritt. Dies gilt auch dann, wenn der Eintritt nicht freiwillig erfolgt oder keine Absicht eines dauerhaften Verbleibs vorliegt. Ehepaare mit jahrzehntelanger Lebensgemeinschaft werden formell getrennt – mit hoher emotionaler Belastung für beide Partner. Und mit weiterführenden steuerrechtlichen Konsequenzen, entsteht doch erheblicher administrativer Mehraufwand für zwei Steuererklärungen und es muss zwischen den zwei Gemeinden eine «interkommunalen Steuerausscheidung» (extrem kompliziert!) vorgenommen und entschieden werden, welche Gemeinde das Ganze koordiniert? Stellt sich auch die Frage: «Verheiratet, getrennt?» (etwa bei Demenz ein Argument), dann müssen die beiden Ehepartner getrennt eingeschätzt werden. Trotz Heimeintritt eines Ehepartners darf dies nicht die Regel sein!
Mit der neuen Bestimmung kommt es auch nach kurzfristigen Wohnsitzwechseln vor dem Tod zu fragwürdigen Bestattungsregeln mit hohen Kosten, wenn die Bestattung am früheren Wohnort geschehen soll. Und Gemeinden können Pflegekosten tragen müssen, obwohl die betroffene Person in einer anderen Gemeinde Steuern zahlt (Auszüge aus der Anfrage KR-Nr. 121/2025 von Kantonsrat Markus Schaaf, Zell und Mitunterzeichnern).
Anfrage (KR-Nr. 121/2025) «Problematische Wohnsitzregelung bei Pflegeheimeintritt»
Vor dem Hintergrund der neuen Regeln des Gemeindeamtes wurden folgende Fragen gestellt:
- Soziale und emotionale Auswirkungen der neuen Praxis auf ältere Ehepaare und deren Angehörige?
- Wie rechtfertigt der RR, dass auch urteilsunfähige Personen (z. B. Demenzkranke) formell als «freiwillig und mit der Absicht des dauerhaften Verbliebs» in einer Betreuungsstätte eingetreten gelten, obwohl sie dazu nicht urteilsfähig sind?
- Welche konkreten Kriterien sollen Pflegeheime anwenden, um zwischen «vorübergehendem Aufenthalt» und «dauerhaftem Verbleib» zu unterscheiden (etwa bei Demenzkranken oder Personen mit eingeschränkter Urteilsfähigkeit)?
- Wie kann verhindert werden, dass Pflegeheime unter erhöhten administrativen Druck geraten, wenn sich Angehörige, Gemeinden oder Aufsichtsbehörden im Widerspruch zur aktuellen Praxis sehen?
- Wie gedenkt der RR zu verhindern, dass es durch die neue Regelung zu steuerlichen und pflegerechtlichen Kostenungleichgewichten zwischen den Gemeinden kommt?
- Ist der RR bereit, eine praxistaugliche, rechtssichere und sozial vertretbare Lösung zu erarbeiten und bis wann?
- Welchen Spielraum sieht der RR für Ausnahmen oder pragmatische Regelungen in Härtefällen – etwa bei Kurzaufenthalten oder bei Ehepaaren, deren Lebensmittelpunkt weiterhin ausserhalb des Pflegeheims liegt?
- Ist der RR bereit, sich auf Bundesebene für eine differenzierte und soziale Regelung bei Heimeintritten einzusetzen – insbesondere im Interesse von Ehepaaren?
Antworten der JI von RR Jacqueline Fehr
Die Antworten des RR sind juristisch präzise, aber menschlich enttäuschend. Und obwohl die gravierenden, emotionalen und sozialen Folgen der aktuellen Praxis erkannt werden, bleibt die Haltung defensiv und formalistisch:
- Ehepaare, die durch Krankheit oder Pflegebedürftigkeit getrennt werden, erhalten keine besondere Rücksicht – weder melderechtlich noch steuerlich.
- Der RR resp. das Departement Fehr argumentiert, dass damit die «Lebensrealität» abgebildet würde. Aus Sicht der Betroffenen gilt aber die «Realität der lebenslangen Gemeinschaft»!
Fazit
Statt den Spielraum für pragmatische und sozialverträgliche Lösungen zu nutzen, beruft sich die JI, im Namen der Regierung, auf bestehende Regelungen und lehnt Verbesserungen konsequent ab.
Auch die Bereitschaft, sich auf Bundesebene für eine sensiblere Lösung einzusetzen, fehlt scheinbar seitens der Justizdirektorin.
- Rechtssicherheit ist wichtig – sie darf aber nie zur Rechtfertigung für menschliche Kälte und bürokratische Starrheit werden!
- Wer jahrzehntelang gemeinsam gelebt und gemeinsam denselben Lebensmittelpunkt hatte, verdient im Alter nicht eine formale Trennung durch ein Meldeformular, sondern Respekt, Mitgefühl und eine flexiblere Praxis! (Argumentation KR Markus Schaaf).
Aufgrund der ernüchternden Sachlage prüfen die kantonsrätlichen Anfragesteller die Einreichung einer Motion, welche im Gesetz über das Meldewesen und die Einwohnerregister (142.1 MERG) eine entsprechende Ergänzung verankert.
In einem weiteren Schritt muss wohl die Einreichung einer Standesinitiative des Kantons Zürich zwecks Änderung der Bundesgesetzgebung ins Auge gefasst werden.