Eines formell korrekten Wahlverfahrens unwürdig

Am Montag, 23. Juni 2025 wurden im Zürcher Kantonsrat,  auf Antrag und basierend auf einem einstimmigen Wahlvorschlag der der Interfraktionellen Konferenz (IFK) und nach Vorprüfung durch die Justizkommission (JUKO), 201 Mitglieder der obersten Zürcher Gerichte (Obergericht, Verwaltungsgericht, Sozialversicherungsgericht und Handelsgericht) für eine neue, 6-jährige! Amtsperiode sowie 1 Mitglied des Baurekursgerichts wieder- und gewählt. Die grosse Mehrheit der Mitglieder der obersten Gerichte des Kantons Zürich (dieses Mal 155 von 201 Kandidatinnen und Kandidaten) wurden in geheimer Wahl gewählt.

Alle Kandidatinnen und Kandidaten wurden als gewählt erklärt. Soweit, so gut!

Das Wahlverfahren verlief chaotisch und nicht den Usanzen entsprechend! Und leider war bis am Abend des Wahltags und wohl auch bis heute Morgen das exakte Wahlresultat den Kandidatinnen und Kandidaten, der Mehrheit der Parlamentsmitgliedern (dem Wahlkörper) und der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt…

Wie konnte es dazu kommen?

Bei der Wahl so vieler Kandidaten kommt es unweigerlich zu einem langwierigen (wenn korrekt durchgeführt) fast ausschliessliche geheimen Wahlprozedere, was zu einer starken Belastung der parallel dazu weiter laufenden Parlamentssitzung und der parallel zu den Wahlen behandelten Geschäften führt.

Der der Sitzung vorstehende Kantonsratspräsident, Beat Habegger (FDP Zürich), gab zum Anfang der Sitzung ein zu den Vorjahrzehnten verändertes Wahlprozedere (eigenhändig oder nach Rücksprache mit der Geschäftsleitung, GL beschlossen?) bekannt:

Neu wurden alle Wahlgänge hintereinander durchgeführt, dies nach einmaligem Verschliessen des Ratssaales. Am Schluss der Wahlen wurden alle Stimmzettel gesammelt und anschliessend separat im Fraktionszimmer der FDP ausgezählt.

Fakten

  • Zur nötigen Feststellung der Präsenz wurden die Türen geschlossen und bis zum Ende aller Wahlgänge (je ein Wahlgang für das Obergericht, das Verwaltungsgericht, das Sozialversicherungsgericht und das Handelsgericht sowie eine separat aufgrund eines Rücktritts durchgeführte Wahl eines Mitglieds des Baurekursgerichtes) nicht mehr geöffnet: Mindestens drei Ratsmitglieder, welche sich am Anfang der Wahl nicht im Ratssaal eingefunden hatten, wurden damit von allen weiteren Wahlgängen durch die eigentümliche Türschliess-Anordnung des Präsidenten ausgeschlossen. Dieser hätte nach Usanz nach jeder Wahl/Gericht die Türen öffnen müssen! 
  • Die Mitglieder der Wahlkommission konnten bei den ordentlichen Geschäften auch nicht abstimmen, da im Nebenzimmer mit Auszählen beschäftigt (Usus ist, dass die Auszählung im Rat stattfindet).
  • Zwei Mitglieder der Parlamentsdienste ordneten mit eigenen Händen die Wahlzettel zwischen den verschiedenen Wahlen (sie gehören nicht dem Wahlbüro an, somit ein Verstoss gegen eindeutige Regeln)!
  • Das Wahlbüro (Stimmenzähler und Ersatzstimmenzähler) zogen sich nach erfolgter Wahl für alle obersten Gericht ins Fraktionszimmer der FDP zur Auszählung zurück. Während der Ratspause verliessen sie das Zimmer um sich u. a. bei Speis und Trank, zusammen mit weiteren Ratsmitgliedern, zu erfrischen (weiterer Verstoss gegen eindeutige Regeln!).
  • Verteilt wurden 173 Wahlzettel, eingegangen sind gemäss Verlesen durch den Ratspräsidenten Habegger, wohl basierend auf den Informationen der Leiterin des Wahlbüros (Fraktionspräsidentin der Mitte, Marzena Kopp, Meilen), für das Obergericht 171 Wahlzettel, bei einem absolutes Mehr von 83 Stimmen. Wie kommt ein solches Ergebnis zustande, wenn der Präsident nur teilweise oder gar keine Angaben zu leeren und ungültigen Stimmen macht?
  • Der Präsident erklärte beim Obergericht „alle“ Kandidaten seien „gut gewählt worden“, was er auch bei zwei weiteren Gerichten (ausser beim Verwaltungsgericht) so wiederholte.
  • Kein einziges, zahlenmässiges Wahlresultat eines Richters oder einer Richterin (ausser für den separat gewählten Baurekursrichter) wurde dem Rat mitgeteilt/vorgelesen!

Fazit

Ein unwürdiges Verfahren, inkorrekt und schlampig, welches auch nicht mit der Hitze des Tages erklärt werden darf!

Es bleibt die Hoffnung, dass die Kandidatinnen und Kandidaten, wie auch die Ratsmitglieder und die Öffentlichkeit, möglichst bald über die exakten Wahlresultat in Kenntnis gesetzt werden! 

GL und IFK haben dafür zu sorgen,  dass das gestrige Wahlverfahren, welches minimalen, formellen Vorgaben eines demokratischen Wahlprozederes in keiner weise entspricht, für immer einmalig bleibt!

„Effizienz-Gründe bei Wahlen für ein „abgekürztes“ und unwürdiges Wahlverfahren (Kantonsratsgesetz, KRG, 171.1: § 124 ff.) anzubringen, ist sogar einer rudimentären Auslegung eines demokratischen Wahlverfahrens unwürdig. Und dafür gibt es auch keinen „Hitze-Bonus“!