«Ein Postulat ist der Vorstoss für Politikaster, welche nichts bewegen oder Bewegung verhindern wollen» (Claudio Zanetti, alt National- und alt Kantonsrat, SVP, Gossau)
Mittels Motion «Transparenzdatenbank für Bezirksgerichtsentscheide» (KR-Nr. 86/2024) wollen Kantonsrat Urs Glättli (GLP, Winterthur) und Mitunterzeichner aus FDP, SP und AL den Regierungsrat (RR) beauftragen, im Gesetz über die Gerichts- und Behörden-organisation im Zivil- und Straffprozess (GOG, LS 211.1), eine Grundlage zur Führung einer öffentlichen Datenbank über wesentliche Entscheide der Bezirksgerichte (BG) zu schaffen. Die grösste Fraktion im KR, die SVP, lehnt unerklärlicherweise die Motion ab und will diese nur – wie auch der RR – als Postulat unterstützen.
Text der Motion Glättli
Der RR wird beauftragt, im Gerichtsorganisationsgesetz (LS 211.1) eine Grundlage zur Führung einer öffentlichen Datenbank über wesentliche Entscheide der BG zu schaffen. Die im Internet zu führende Datenbank soll Transparenz schaffen über das Wirken und die Praxis der BG und über eine strukturierte und benutzerfreundliche Suche verfügen. Dabei ist die Notwendigkeit einer flankierenden Bestimmung über die Anonymisierung der Entscheide zu prüfen.
Begründung der Motion (Auszug)
Während Gerichtsentscheide der obersten Kantonalen Gerichte einigermassen erschlossen sind (www.gerichte-zh.ch/entscheide), finden sich mit Ausnahme des BG Zürich (vor allem Mietgericht) keine oder nur vereinzelte Entscheide der übrigen BG auf dieser Plattform. So sind z. B. nur gerade 2 Entscheide des BG Winterthur aus dem Jahr 2014 auffindbar. Das genügt offensichtlich nicht und trägt dem Öffentlichkeitsprinzip gemäss Verfassung nicht Rechnung. Gerichtsentscheide sind zu veröffentlichen, damit Transparenz über die Rechtsanwendung und die Rechtsfortentwicklung herrscht, die Rechtssicherheit gewährleistet wird, die Entscheide ihre allfällige Präjudizwirkung entfalten können, das angewandte Recht ins gesellschaftliche Bewusstsein dringt und, soweit nötig, auch die Möglichkeit geschaffen wird, gesetzgeberische Änderungen anzustossen…Immerhin unterliegen die Mitglieder der BG – unabhängig davon, ob still oder offen gewählt – der Wahl durch die Stimmberechtigen des Bezirks, so dass ihr Schaffen nicht weiter der Öffentlichkeit verborgen bleiben soll. Die BG sollen dazu verpflichtet werden, ihre Rechtsprechung mittels Veröffentlichung ihrer Entscheide transparent zu machen und die Öffentlichkeit über ihre Entscheide zu informieren.
Argumentation des Regierungsrates (Auszug)
Wie in der Motion richtig festgestellt wird, wird damit die Entscheidungspraxis entgegen Art. 78 Abs. 2 Kantonsverfassung nicht angemessen veröffentlicht…Das Obergericht (OG) befasst sich deshalb bereits seit einiger Zeit damit, wichtige schriftlich begründete Bezirksgerichts-entscheide breiter zugänglich zu machen. Folglich nimmt die Motion ein Anliegen auf, das gerichtsintern bereits bearbeitet wird. Wie für die Veröffentlichung der Entscheide des OG und des Handelsgerichts braucht es auch für die Veröffentlichung der Entscheide der BG aus rechtsstaatlicher Sicht keine zusätzliche gesetzliche Grundlage. Eine solche zusätzliche detaillierte gesetzliche Grundlage gibt es auch beim Bund nicht. Zudem teilt das OG das Anliegen der Motion und arbeitet bereits daran, dieses umzusetzen. Die Einarbeitung einer gesetzlichen Grundlage wäre lediglich mit unnötigem Aufwand verbunden. Über die Umsetzung der bereits bestehenden Pflicht der Gerichte, ihre Entscheidpraxis zu veröffentlichen, kann sich der KR bzw. die zuständige Aufsichtskommission – wie die Umsetzung bestehenden Rechts im Allgemeinen – informieren lassen. Er kann darüber hinaus Empfehlungen abgeben. Falls sich der KR über den Stand der Arbeiten umfassender informieren lassen möchte, kann er den Vorstoss als Postulat überweisen. Gestützt darauf können der RR bzw. das OG über die zu diesem Zeitpunkt wohl bereits umgesetzten Massnahmen Bericht erstatten. Vor dem Hintergrund von jährlich rund 55’000 BG-Entscheiden wurde bereits ein Merkblatt entworfen, worin festgehalten wird, welche Entscheide der BG künftig publiziert werden.
Fazit
Anstatt klar und deutlich Auskunft über den Stand der Arbeiten betreffend Umfang (Inhalt Merkblatt) und den geplanten Zeitpunkt, ab wann die Veröffentlichung von BG-Entscheiden endlich vorgesehen ist und damit Argumente zur Ablehnung der Motion zu geben, «eiern» Staatskanzlei und Justizdirektion in ihrer Begründung zur regierungsrätlichen Ablehnung der Motion herum und frönen ihrer ur- und verwaltungseigenen Verzögerungs- und Vernebelungstaktik. Der KR würde gut daran tun, die Motion zu überweisen.