Kurioses Gezerre um die Sterbehilfe im Kantonsrat (Titel des Tages-Anzeiger vom 1.11.2025)
Status quo: Duldungspflicht von Sterbehilfe in öffentlich finanzierten Heimen
Am 15.5.2011 hatten sich die Stimmberechtigten des Kantons Zürich zwei Mal mit relativ starken Mehrheiten für die Grundfreiheit ausgesprochen, das eigene Lebensende selbst zu bestimmen und dazu Hilfe in Anspruch zu nehmen. Und im Jahr 2022 entschied der Zürcher Kantonsrat (nachdem er zuerst beschlossen hatte, dass alle Alters- und Pflegeheime im Kanton Zürich Sterbehilfeorganisationen Zutritt erlauben müssen) nach einem Rückkommens-Antrag, mit einer Stimme Unterschied, diesen Organisationen keinen uneingeschränkten Zutritt zu privaten Institutionen gewähren. Somit ist zurzeit eine Duldungspflicht von Sterbehilfe nur in den Räumlichkeiten öffentlich finanzierter Heime vorgeschrieben. Auch in den Zürcher Gefängnissen werden assistierte Suizide geduldet (der 71-jährige «Babyquäler» René Osterwalder nahm sich im April 2025 im Zürcher Gefängnis Pöschwies mit Hilfe einer Sterbehilfeorganisation im Zürcher Gefängnis Pöschwies das Leben).
Volksinitiative
Exit und Dignitas haben eine Volksinitiative mit dem Titel «Selbstbestimmung am Lebensende (Ja zur Selbstbestimmung auch in Alters- und Pflegeheimen) eingereicht. Prominente Mitglieder des Initiativekomitees sind u. a. Kantonsrätin Jeannette Büsser, Grüne, alt-Kantonsräte Reto Cavegn, FDP und Julia Gerber Rüegg, SP und Dignitas, Victor Giaccobo, «Theater-Unternehmer», alt-Kantonsrat Hanspeter Göldi, SP und Prof. Dr. med Felix Gutzwiller, alt-Ständerat FDP, Karl Lüond, Publizist, sowie die Kantonsrätinnen Arianne Moser, FDP und Brigitte Rösli, SP.
Ablehnung der Volksinitiative durch die vorberatende Kommission des Kantonsrats (KSSG)
Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (KSSG) des Kantonsrats beantragt dem Rat mit 10 zu 5 Stimmen die Volksinitiative abzulehnen. Private Institutionen sollen nicht gegen ihre Überzeugung assistierte Suizidhilfe zulassen müssen, d. h. eine private Institution, welch keine Subventionen vom Staat bezieht, soll nicht gegen ihre Überzeugung in ihren Räumlichkeiten Suizidhilfe zulassen müssen. Die Mehrheit ist auch gegen Suizidhilfe in psychiatrischen Einrichtungen.
Gegenvorschläge für eine Ausweitung der Duldungspflicht
Keine der drei Varianten von Gegenvorschlägen hat in der KSSG eine Mehrheit gefunden. Allen ist gemeinsam, dass sie eine Ausweitung der Duldungspflicht auf die privaten Alters- und Pflegeheime vorsehen, nicht aber auf psychiatrische Einrichtungen. Die Hauptdifferenz betrifft die Spitäler. Eine Minderheit aus SP, GLP, Grüne, Mitte und AL will, dass assistierter Suizid in Spitälern möglich sein soll. Damit soll vermieden werden, dass kaum transportfähige Menschen für einen assistierten Suizid aus den Spitälern verlegt werden müssen. Die SVP, mit zwei fast identischen Minderheitsanträgen, will die Spitäler von der Duldungspflichten ausnehmen. Die Anträge unterscheiden sich nur insofern, dass der Regierungsrat Richtlinien und Empfehlungen bestimmen kann, entweder selber oder gemäss den Empfehlungen der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften.
Die EVP hat schon angedeutet, dass sie bei einer Annahme eines der Gegenvorschläge ein Referendum ins Auge fassen wird.
Fazit
Die von den Initianten geforderte Duldung von assistierten Suiziden in psychiatrischen Institutionen ist inakzeptabel: Es darf im Zusammenhang mit geduldeter «Sterbehilfe» nicht nur im Ansatz eine Assoziation von Sterbehilfe mit Euthanasie möglich sein! Der Kantonsrat wird wohl im Jahr 2026 über die Vorlage entscheiden.
Und das letzte Wort wird wohl das Volk haben, hat doch das Initiativkomitee bis dato signalisiert, sein Begehren auf jeden Fall zur Abstimmung bringen zu wollen – und dabei hoffentlich eindeutig scheitern!