Am Montag, 23. Juni 2025, wählt das Zürcher Kantonsparlament, der Kantonsrat, auf Antrag seiner Interfraktionellen Konferenz (IFK) und nach gründlicher Vorprüfung der Kandidatinnen und Kandidaten auf Eignung durch die vorberatende Justizkommission (JUKO), die Mitglieder und die Ersatzmitglieder des Obergerichts, des Verwaltungsgerichts und des Sozialversicherungsgerichts (KR-Nr. 125-127) wieder und wählt die Mitglieder des Handelsgerichts (KR-Nr. 128).
Die Causa des Oberrichters Spiess
Während die zur Wiederwahl stehende Oberrichterin Eleonora Lichti Aschwanden (Jahrgang 1959) der FDP angehört, ist der auch auf Antrag der Interfraktionellen Konferenz wieder zu wählende derzeitige Kammerpräsident der II. Strafkammer des Obergerichts, lic. iur. Christoph Spiess, Jahrgang 1959 (März), Mitglied der Kleinstpartei der Schweizer Demokraten (SD).
Spiess hat in den vergangenen Jahren und in vergangenen Amtszeiten mehrmals an „sehr speziellen Urteilen“ mitgewirkt und auch damit von sich reden gemacht.
Christoph Spiess amtet, gemäss Liste der Interessenbindungen des Obergerichts, sowohl als Präsident als auch als Sekretär der Schweizer Demokaraten (SD) der Stadt Zürich, einer Kleinstpartei mit einem schweizweiten Wähleranteil von 0.8% (Stand Nationalratswahl 2023, gemäss Wikipedia).
Aufgrund des Parteienproporzes erhielt die damals noch um einiges grössere Partei der Schweizer Demokraten, wohl in den 90er Jahren (genaues Datum konnte leider durch die Tribüne nicht innert nützlicher Frist in Erfahrung gebracht werden) durch die IFK eine Richterstelle am Zürcher Obergericht zugesprochen. Diese Stelle wird seit vielen Jahren durch Richter Spiess besetzt.
Gemäss gut unterrichteter Kreise soll es zwischen den in der Interfraktionellen Konferenz vertretenen Parteien ein ungeschriebenes Gesetz, eine Art „Grandfather Clause“, geben, welche besagt, dass einer Partei, welche aufgrund des Parteienproporzes einmal einen Richtersitz zugesprochen erhalten hat, heute aber kein „Anrecht“ mehr auf einen Sitz am Obergericht hätte, weil nicht mehr mit genug grossem Wähleranteil, dieser Sitz nicht weggenommen wird: Deren Vertreter dürfen weitere Amtszeiten, wenn durch sie gewollt auch bis zum Pensionsalter und nach darüber hinaus, „aussitzen“.
U. a. aus diesem Grunde ist Richter Spiess seit mehreren Amtsperioden oppositionslos immer wieder gewählt worden obwohl die Schweizer Demokraten (SD) , aufgrund des Parteienproporzes, schon lange nicht mehr und bei einer Neuwahl per se kein Anrecht mehr auf einen Sitz am Obergericht hätten.
Nun kommt aber zum für den nächsten Montag durch die Interfraktionelle Konferenz gemachten Vorschlag für die Wiederwahl von Spiess und Lichti Aschwanden ein weiterer (negativer) Aspekt dazu:
Neu, gültig ab Mitte 2025, müssen Oberrichter, welche das 68 Altersjahr erreichen, von Amtes wegen zurücktreten:
Liechti Aschwanden und Spiess (im 3/27) werden 2027 68-jährig.
Ergo darf auch Spiess nur noch knapp 2 Jahre tätig sein und muss dann zurücktreten – und dies obwohl er schon heute im Rentneralter ist und seit mehr als einem Jahr AHV bezieht!
Fazit
- Warum macht die JUKO – nach gründlicher Prüfung der beiden Kandidaturen – keinen Kommentar zu den Kandidaten Spiess und Aschwanden Liechti?
- Warum gilt diese „Grandfather Clause“ scheinbar auch für die nächste-, 6-jährige Amtsdauer des Obergerichts und wird dieses fragwürdige, ungeschriebene Gesetz nicht endlich begraben?
- Warum werden Amtszeit für Amtszeit alle amtierenden Richter, welche sich zur Wiederwahl stellen, einfach durch das Zürcher Kantonsparlament in 99.99% der Fälle kritiklos „durchgewunken“?
- Gibt es bei den Richterwahlen durch das Zürcher Parlament keine Qualitätskontrolle – wie diese anlässlich von Volkswahlen Usus und dabei häufig aufgrund von Abwahlen als Grund zu vermuten ist?
Ganz generell und auf alle 201 Richter und Ersatzrichter-Kandidaturen bezogen: Dieses Medium ist gespannt auf die Wahl vom nächsten Montag. Werden wieder nordkoreanische Verhältnisse im Zürcher Kantonsparlament herrschen und alle Kandidaten und Kandidatinnen für eine weitere Amtsperiode von 6 Jahre „durchgewunken“?