Eine Motion (der Regierungsrat muss ein Gesetz oder eine Gesetzesänderung zuhanden des Kantonsrats ausarbeiten) von Kathrin Wydler, Die Mitte (Wallisellen), Ursula Junker, SVP (Mettmenstetten), Nadia Koch, GLP (Rümlang) und Hanspeter Hugentobler, EVP (Pfäffikon) welche die Verschiebung des Einstiegs in den Französischunterricht auf die 1. Klasse der Sekundarstufe I fordert, ist heute, 1. September 2025, vom Kantonsrat mit 108 Stimmen (von SVP, FDP, Die Mitte. GLP EVP, AL und 4 Grüne) gegen 64 Stimmen (SP, Mehrheit Grüne, Vereinzelte SVP, FDP, GLP) überwiesen worden.

Auszug aus dem Votum eines Befürworters der Abschaffung des Frühfranzösisch (KR Marc Bourgeois, FDP Zürich – es gilt das gesprochene Wort):

„Wenn wir mit unseren 3 Jungs in der Welschschweiz oder in Frankreich unterwegs sind – sie sind in der 6. Klasse oder in der 1. Oberstufe – und sie müssen auf die Toilette in einem Restaurant, dann fragen sie „Where are the toilets?“ und dann sagen wir ihnen „Sag’s doch auf Französisch“ und sie „Ja eben, where are the toilets?“ – sie kriegen es nicht hin. Diese anekdotische Evidenz bestätigt die Resultate jüngster Untersuchungen und die Erkenntnisse vieler Französischlehrpersonen der Oberstufe: Aufwand und Ertrag im Frühfranzösischen stimmen nicht!

Zugleich haben wir sinkende Leistungen in Deutsch und Mathematik. Eine EDK Erhebung von eben jüngst in der Deutschschweiz hat gezeigt, dass die Hälfte der Schulabgängerinnen  keinen einfachen Satz verstehen, wenn sie ihn lesen. Fremdsprachen zu lernen ist aber schwierig, wenn die Grundlagen in der Muttersprache fehlen!…

Ja, Französisch ist wichtig in unserem Land…aber dieses Frühfranzösisch gibt es erst seit etwa 15 Jahren und davor ist die Schweiz auch nicht auseinander gefallen… In 12 von 19 deutschsprachigen Kantonen gibt es Vorstösse gegen das Frühfranzösisch, auch in Kantonen (Anmerkung Die Tribüne: Kanton Zürich), welche das Harmos-Konkordat unterschrieben haben…Aufwand und Ertrag im Frühfranzösischen stimmen nicht…“

Votum eines der Gegner dieser Motion (KR David John Galeuchet, Grüne, Bülach – es gilt das gesprochene Wort):

Vier Landessprachen – das ist ein Teil unserer Identität. Die Mehrsprachigkeit ist ein zentraler Pfeiler der Schweizer Kultur und ein Fundament unseres Zusammenhalts. Und darauf darf die Schweiz auch stolz sein!

Es ist, oder muss ich sagen war, in nationalen Gremien selbstverständlich, dass jede Person in ihrer Landessprache sprach – und die anderen antworteten in ihrer. Diese gelebte, sprachliche Vielfalt ermöglichte Verständigung über Gräben hinweg – politisch wie geografisch. Wenn diese Kommunikation in Zukunft in Englisch erfolgen muss, geht ein Teil unserer Identität verloren und wenn beide Votanten eine Fremdsprache sprechen, wird auch die Verständigung darunter leiden.

Wenn wir heute das Frühfranzösisch aus der Unterstufe streichen, senden wir ein fatales Signal in Richtung Westschweiz und Tessin!

Wenn ein kleiner Kanton wie Appenzell das Frühfranzösisch abschafft, ist das das eine. Wenn aber der grosse und wirtschaftlich starke Kanton Zürich diesen Schritt geht, dann droht eine Schwächung der sprachlichen Kohäsion der ganzen Schweiz.

Ja, Französisch ist eine schwierige Sprache. Aber: Ist das wirklich ein Argument gegen das Lernen?

Auch in der Romandie beherrschen weniger als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler nach der obligatorischen Schulzeit die französische Orthographie gut genug. Und in der Deutschschweiz erreichen gerade einmal 50 % die Grundkompetenzen im Französisch.

Doch was ist die richtige Reaktion auf diese Herausforderungen?

Schaffen wir die Mathematik ab, weil 20 bis 40 % der GymnasiastInnen beim Übertritt an die Uni ungenügende Mathekenntnisse haben?

Natürlich nicht!

Wir müssen uns vielmehr fragen, woran es liegt?

Ein Punkt ist sicher: Die Französisch-Kompetenzen vieler Lehrpersonen sind zu knapp. B2 ist das geforderte Minimum, aber für einen lebendigen Unterricht reicht das oft nicht. Gleichzeitig fehlen uns bis zu 35 % der nötigen Französischlehrpersonen.

Vielleicht müssten wir an den Methoden ansetzen: Anstatt Französisch in isolierten Lektionen zu unterrichten, könnten wir fächerübergreifend – etwa in Lektionen in Natur Mensch und Gesellschaft oder im Bildnerischen Gestalten in Französisch durchführen. Immersion statt Voci-Büffeln.

Denn Freude an einer Sprache entsteht beim Sprechen, nicht beim Pauken.

Und nicht zuletzt: Wer Französisch spricht, ist beruflich im Vorteil. Viele Firmen zahlen für Mitarbeitende mit Französischkenntnissen bis zu 15 % mehr Lohn.

Wir Grünen lehnen die Abschaffung des Frühfranzösischen auf der Unterstufe deshalb mehrheitlich ab.

Wir wollen an unserer Schweizer Kultur der Mehrsprachigkeit festhalten – für eine Schweiz, die zusammenhält!

Nous souhaitons préserver la culture suisse avec plusieurs langues – pour une Suisse unie!“

Fazit

Innert einer Frist von 2 Jahren muss der Regierungsrat nun (Bildungsdirektorin Silvia Steiner, Die Mitte) Bericht und Antrag für eine Gesetzesvorlage unterbreiten, obwohl er die Motion ablehnte.